Creative Director Sawi über Webdesign-Trends, Fails & Tipps
Das Creative Feature soll andere Kreative vorstellen und dir ihre Arbeitsweise näher bringen. Sie teilen wichtige Tools und wertvolle Tipps. Keine Schleichwerbung, dafür maximaler Mehrwert, denn deine Zeit ist mir heilig. Das erste Feature dreht sich um Sawi aus Bangkok. Als Creative Director arbeitet sie tagtäglich mit Webdesignern und UX-Designern zusammen, leitet ein mittelgroßes Team aus kreativen Köpfen.
Das Creative Feature soll anderen Kreativen eine Stimme geben
Sawi aus Bangkok, Thailand ist Creative Director in einem großen Unternehmen und berichtet über ihren Arbeitsalltag
Sie beriet Agenturen und Unternehmen während der Covid-19-Pandemie, ohne dass sie dafür bezahlt wurde - und lernte aus diesem Fehler
Wer bist du und was machst du?
Ich heiße Sawi, komme aus Thailand und bin seit 2016 Creative Director bei Virgin Active Thailand in Bangkok. Zu meinen Aufgaben gehört die Koordination von Online-Kampagnen im Bereich Social Media und Suchmaschinenwerbung. Durch die Liebe zum Design habe ich die ausführende Tätigkeit aber nie aus den Augen verloren und helfe meinem Team, welches aus rund 20 Webdesignern*, UX-Designern und Entwicklern besteht, tatkräftig bei der Umsetzung neuer Ideen. Mein Fokus liegt dabei klar im User Experience Design.
Ursprünglich komme ich aus dem IT-Bereich, denn ich habe vorher für ein lokales Telekommunikationsunternehmen gearbeitet und bin dann über Webdesign zum UX-Design gelangt nebenberuflich berate ich seit 2019 lokale Unternehmen beim Schritt in die Digitalisierung. Diese ist in Thailand noch nicht so fortgeschritten wie in manchen europäischen Ländern.
Wir beide kommen aus der Virgin-Familie. Was bedeutet dir der Arbeitgeber?
Ich bin stolz, in solch einem Unternehmen arbeiten zu dürfen. Wir haben eine super Kommunikation nach London, sind aber autark genug, eigene Entscheidungen zu treffen. In Sachen Webdesign und Nutzerführung ticken die Uhren in Thailand anders.
Als UX-Designer versuchen wir so viel wie nur möglich über unsere Kunden herauszufinden und ihnen maßgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Wir entwickeln Webkonzepte und testen eine Menge aus - dabei haben wir eine tolle Feedbackkultur, denn Fehler werden nicht getadelt, sondern belohnt.
Aus Fehlern wird gelernt und wir ziehen unsere Lehren daraus. Wir konnten durch unsere Tests und Interviews die Conversion-Rate unserer Website deutlich verbessern. Ein weiterer Pluspunkt: Wir bauen auf unser vorhandenes Content Management System und führen nicht alle 2-3 Jahre einen Website-Relaunch durch.
Ideen werden im Team diskutiert, es gibt keinen einzelnen Entscheider. Das bringt uns als Team einen großen Schritt zusammen und die Leistung eines jeden Einzelnen wird wertvoller. Vertrauen wird in unserem Design-Team großgeschrieben, so gibt es beispielsweise keine Anwesenheitspflicht oder Zeiterfassung.
Welche Tools sind in deinem Workflow unverzichtbar?
Für die Projektorganisation benutzen wir bei Virgin Active Asana und Notion. Letzteres wird dabei als Knowledge Base verwendet, denn durch einen zentralen Hub bleibt jeder im Team auf dem neuesten Stand. Als UX-Designerin setze ich zur Gestaltung von Wireframes und Prototypen hauptsächlich Figma, experimentiere derzeit aber auch mit Adobe XD aus der Creative Cloud herum.
Besonders die Zusammenarbeit im Team macht Figma zu einem spannenden Tool. In den letzten 12 Monaten habe ich mir dank intensiver Schulung Adobe After Effects angeeignet und bringe diese Fähigkeit in meinen Prototyping-Workflow ein.
Für einfache Zeichnungen, zum Beispiel bei einem Webdesign, hole ich gerne Stift und Zettel hervor. Da ich ein großer Fan der Promodoro-Strategie bin, habe mir für mein Smartphone die App Forest heruntergeladen. Auch als Creative Director gibt es Momente, in denen ich meine Ruhe brauche. Dann wird es Zeit für brain.fm - tolle minimalistische Klänge bringen mich auf Hochtouren und steigern meine Kreativität.
Wenn du einem Design-Freelancer deine besten Tipps für den Start geben könntest. Welcher wäre das?
Verschwende nicht so viel Zeit in deine digitalen Assets. Gerade in der Startphase möchten wir uns als Selbstständige perfekt darstellen. Das Problem dabei: Die meisten Besucher deiner Website werden die Details in deinem Webdesign gar nicht bemerken. Gehe daher lieber schnellstmöglich mit einer Idee an den Start und baue deine Assets Schrittweise auf. (Lesetipp: Website-Tools im Fokus: WordPress, Wix, Squarespace & Webflow)
Investiere Zeit in ein ordentliches und aussagekräftiges Design-Portfolio, denn diese sind deine Visitenkarte und Anziehungspunkt für potenzielle Kunden. Denen ist es egal, welche Rahmenstärke deine Buttons haben. Sie wollen sehen, ob du die benötigte Erfahrung hast und ihre Probleme lösen kannst.
Höre niemals mit Marketing auf - auch wenn du gerade ordentlich zu tun hast. Denn irgendwann wird die Projektphase enden und du stehst ohne neue Projekte da. Dann muss die Marketing-Maschine erst ins Rollen gebracht werden. Je nach Expertenstatus deiner Personal Brand kann das eine Zeit dauern.
Alternativ investierst du in bezahlte Werbung, zum Beispiel bei Google. Mache dir auf jeden Fall im Vorfeld Gedanken, wie du deine nächsten Deals an Land ziehst.
Welches ist für dich momentan der interessanteste Design-Trend?
In Thailand sind wir immer ein paar Monate hinterher, was digitale Trends angeht. International betrachtet finde ich aber extravagante Webdesigns sehr ansprechend.
Als besonderes Beispiel möchte ich hier die Internetseite von Loftgarten: wunderschöne Typography, minimalistischer Stil und eine tolle Idee, Content optisch perfekt in Szene zu setzen. Die Bildsprache ist ansprechend und animiert zum Weiterklicken.
Ich muss gestehen, dass ich in Sachen Trends sehr vorsichtig bin. Ich bevorzuge langlebiges Webdesign. Wir haben nicht die Ressourcen um unsere Homepage alle Monate wieder an aktuelle Trends anzupassen.
Was inspiriert dich?
Ich reise für mein Leben gern und spare viel Geld meines Einkommens, um möglichst viel von der Welt sehen zu können. Diese Momente in fremden Kulturen inspirieren mich ungemein. Außerdem sind es Menschen wie unseren verstorbenen König Rama IX.
Werde ich als Webdesignerin bzw. UI-Designerin gebucht sind Dribbble und Behance meine erste Anlaufstellen. Diese werden aber mehr und mehr durch Instagram verdrängt. Erwähnenswerte Profile hier: @badbad_ux und @ui_gradient.
Was machst du, um dich weiterzubilden?
Das Web ist schnelllebig, ich glaube, das weiß jeder. Weiterbildung ist ein großes Thema in meiner persönlichen Tagesplanung. Ich nehme mir täglich 60 Minuten Zeit, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben oder neue Dinge zu lernen.
Derzeit lese ich das Buch "The Win Without Pitching Manifesto" von Blair Enns - sehr empfehlenswert! Weitere gute Quellen sind die YouTube-Channels von Ran Segall (Flux) und finsweet. Beide Kanäle befassen sich unter anderem mit Webflow und Webdesign im Allgemeinen.
Über Virgin haben wir zudem Zugriff auf die Lernplattform von LinkedIn. Dort findet sich eigentlich alles von User Interface Design, UX, Webdesign bis hin zu Projektmanagement. Die Qualität ist aber stark vom Lehrer abhängig.
Was war dein größter Fail und was hast du daraus gelernt?
Wie bereits erwähnt habe ich mir neben meiner Festanstellung ein nebenberufliches Business aufgebaut und helfe Unternehmen in Thailand, sich mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Durch die Covid-19-Krise haben wir gemerkt, dass wir sehr von externen Faktoren abhängig sind, beispielsweise den Tourismus. Da unsere Grenzen lange geschlossen waren, reagierten unsere Firmen panisch, ohne eine richtige Strategie.
Mit der Krise wuchs der Bedarf an Dienstleistern im IT-Sektor, so erhielt ich viele Anfragen. Die naive Sawi beriet viele Geschäftsführer, erstellte Konzepte für Automatisierungen, Websites, Online Marketing. Meine Konzepte wurden von den Unternehmen umgesetzt, meine Rechnungen aber nicht bezahlt. Stattdessen wurde ich jedes Mal vertröstet.
Seit dieser schlechten Erfahrung setze ich für jedes Projekt einen Vertrag auf und verlange eine Anzahlung von 30-50%, je nach Umfang des Projekts. Der Vertrag wird über einen Anwalt aufgesetzt, dies stellt meine Professionalität in ein komplett neues Licht. Seitdem ich diesen Schritt gehe, wurde nie wieder eine Rechnung ignoriert. Die Anzahlung sorgt zudem für einen stetigen Cashflow und ich kann langfristig planen, ohne in Geldnot zu geraten.
Fazit
Eine offene Fehler- und Feedbackkultur sind ungemein wichtig, gerade in kreativen Teams. Gemeinsam aus Fehlern lernen und einfach mal ausprobieren - dies sollten andere Unternehmen so angehen. Auch (angehende) Freelancer sollten ihren Perfektionismus eine Weile hinten anstellen und lieber heute als morgen online gehen.
* Um den Lesefluss nicht zu beeinträchtigen wird zwar nur die männliche Form genannt, stets aber die weibliche Form gleichermaßen mitgemeint. Menschen jeglichen Geschlechts sind mir als Leser*innen herzlich willkommen 🌈❤️
Du möchtest in eine neue Website investieren und bist auf der Suche nach einem professionellen Webdesigner? Lass uns unverbindlich über deine Probleme, Wünsche und Projektziele reden. Sende mir einfach eine Projektanfrage und wir gehen es an!